Verkehrsentlastung führt zur Debatte
Zwei Bürgerinitiativen streiten um die Notwendigkeit der Südwestumgehung
(Badische Neueste Nachrichten, 27.12.2021, Hansjörg Ebert)
Bretten. Zwei Bürgerinitiativen ringen in Bretten um den besten Weg, die Stadt vom überhandnehmenden Verkehr zu entlasten. Die Bürgerinitiative Verkehrsentlastung, kurz BIVEB, wurde bereits im Juli 2017 gegründet. Weniger Auto- und Schwerverkehr, mehr Sicherheit für Fußgänger, Radfahrer und Kinder und ein schonender Umgang mit der Natur sind die Kernanliegen. Mit einem Mobilitätskonzept, das alle Verkehrsteilnehmer berücksichtigt, will man dies erreichen. Eine Südwestumgehung sieht die BIVEB kritisch: Sie ziehe nur weiteren Verkehr an, und die Entlastungswirkung sei gering, so die Argumentation.
Gleichsam als Gegenpol zur BIVEB geht im Mai die „Bürgerinitiative pro Südwestumgehung“ (BIPS) an den Start. Sie will eine schnelle Umsetzung der geplanten Südwestumgehung erreichen und attackiert die BIVEB heftig. Initiator der BIPS ist der Ruiter Ortsvorsteher und Stadtrat Aaron Treut (Die Aktiven). Zum Auftakt der BIPS findet sich ein Dutzend Bürger zusammen, die Hälfte davon Stadträte verschiedener Fraktionen. „Bretten benötigt dringend und zeitnah eine Südwestumgehung“, sagt Treut. Die BIPS wolle Klarheit in den Prozess bringen und dem Regierungspräsidium aus der Bürgerschaft Argumente und Mehrheiten liefern, damit die Planung schneller und einfacher umgesetzt werden könne.
Für Treut sind die Zahlen der Verkehrszählung eindeutig: Eine Südumfahrung helfe aktuell, bis zu 30 Prozent des Durchgangsverkehrs aus Bretten herauszunehmen. Dazu würden zusätzlich pro Jahr 7,5 Prozent Zuwächse an Güter-Schwerverkehr aus der Stadt herausgehalten. Auch der Abkürzungsverkehr von der B294 auf die B35 durch Ruit und Knittlingen könne durch eine Südumgehung reduziert werden.
Die Eingriffe in die Landschaft hält der Ruiter Ortsvorsteher für vertretbar. Er verwies auf einen knapp 800 Meter langen Tunnel, der unter dem FFH-Gebiet bei Rinklingen geplant werde, und länger ausfallen könne. Damit seien die Argumente gegen eine Einschränkung der Naherholung weitestgehend minimiert. Auch seien viele Inhalte des Mobilitätskonzepts ohne eine Umgehungsstraße schwerer umsetzbar. Brettens vormaliger Stadtplaner Gunter Lange leistet mit seiner Analyse der Zahlen der Verkehrserhebung Schützenhilfe. Nach seiner Überzeugung könne der relevante Durchgangsverkehr, der auf eine Südumfahrung theoretisch verlagert werden könne, mit rund 49 Prozent angegeben werden. Sein Fazit: Durch die Umgehungsvarianten finde eine deutliche Verkehrsentlastung zwischen 12,8 und 30 Prozent statt.
„Mit einer kompletten Südwestumfahrung von Bretten bekommen wir zwar den Durchgangsverkehr aus der Stadt, das ist immerhin jedes dritte Fahrzeug“, erklärt dazu Helmut Wößner, Projektleiter für die Brettener Südwesttangente beim Regierungspräsidium (RP) Karlsruhe. Weil dann aber immer noch zwei Drittel des Verkehrs durch die Stadt rollen, sei eine maßgebliche Entlastung der Ortsdurchfahrt durch die Südwestumfahrung (B294 neu) nur mit weiteren Begleitmaßnahmen möglich. Denn den weitaus größten Teil der Verkehrsbelastung in Bretten macht der innerstädtische Quell-, Ziel- und Binnenverkehr aus. Dabei handelt es sich insbesondere um Verkehrsteilnehmer, die zur Arbeit nach Bretten fahren oder von der Stadt wegfahren zum Arbeiten andernorts. Hinzu kommen diejenigen Bürger, die sich auch für kurze Strecken ins Auto setzen, um in der Stadt irgendwelche Dinge zu erledigen. Dadurch habe man in Bretten auch ohne den Durchgangsverkehr hohe Verkehrsmengen. „Wir als Land können den innerstädtischen Verkehr nicht beeinflussen, das müssen die Brettener selber tun, und die Stadt Bretten kann den Durchgangsverkehr nicht beeinflussen, das muss das Land tun“, nennt Wößner die Aufgabenverteilung. Seine Sicht dazu: Das eine tun und das andere nicht lassen.
Und genau da setzt nach Einschätzung des Verkehrsplaners auch das Brettener Mobilitätskonzept an, das erreichen will, dass vor allem kurze Strecken in der Stadt nicht mit dem Auto, sondern zu Fuß, mit dem Rad oder dem ÖPNV bewältigt werden. „In der Summe wäre das eine gute Lösung für die Stadt, den Durchgangsverkehr nach außen zu verlagern und den innerstädtischen Verkehr merklich zu reduzieren“, sagt Wößner.