Haltlose Unterstellungen.
BIVEB äußert sich zu den Vorwürfen von Stadtrat Aaron Treut
(Brettener Woche, 26.05.2021, Frank Schneidereit antwortet Katrin Gerweck)
Bretten (ger). In der Sitzung des Gemeinderats in Bretten vom Dienstag, 18. Mai, hatte aktiven-Stadtrat Aaron Treut die Bürgerinitiative Verkehrsentlastung Bretten (BIVEB) mit scharfen Worten angegriffen. Anlass war die Vorstellung der laut Initiative „zentralen Aussagen, Zahlen und Werte“ der 100-seitigen Verkehrsuntersuchung des Büro Köhler & Leutwein zur „Süd-West-Tangente Ortsumfahrung Bretten“ (wir berichteten). In der vom Regierungspräsidium Karlsruhe in Auftrag gegebenen Studie stellten die Verkehrsexperten die offizielle Verkehrszählung und -prognose vor. Doch diese erhalte laut BIVEB „eine große Lücke zu den bisherigen Entlastungsversprechen“, die die Initiative mit ihrer Analyse offenbaren wollte, um somit „Transparenz zu den Zahlen zu schaffen“.
Viele Vorwürfe in Vortrag
Die BIVEB „nervt und zwar ganz gewaltig“, sagte Treut. Des Weiteren sei ihr Anteil am Mobilitätskonzept für Bretten gering. Vielmehr würden von Seiten der BIVEB „gezielt Halbwahrheiten produziert“, womit versucht werde, mit „ein paar wenigen Stadtrandbewohnern knapp 30.000 Menschen zu dominieren oder zu instrumentalisieren“. Sobald eine kritische Gegenstimme komme, werde die „Klima- oder Naturschutzkeule“ ausgepackt und über den Naturverbrauch und über Emissionen „lamentiert“, so Treut. „Das nennt man dann echte Klientelpolitik und dagegen muss man zwingend vorgehen und das offenlegen“, so der Stadtrat. Und weiter: „Ihr seid nur Trittbrettfahrer unter dem Deckmäntelchen der Verhinderung der Umgehungsstraße.“ Zuletzt forderte Treut Oberbürgermeister Martin Wolff auf, die Initiative „zu beobachten“, damit sie nicht weiter „ihr Unwesen“ in Bretten treiben könne. Nun reagierte Frank Schneidereit auf Anfrage der Brettener Woche/kraichgau.news stellvertretend für die BIVEB auf die Treutschen Vorwürfe.
Herr Schneidereit, was sagen Sie zu den Äußerungen?
Frank Schneidereit: Die von Herrn Treut getroffenen Aussagen weisen wir entschieden zurück. Das sind haltlose Unterstellungen, die Herr Treut herausposaunt, nur weil ihm unsere inhaltliche Argumentation nicht passt. Jeder ist für das Niveau, auf dem er sich einbringt, selbst verantwortlich. Unsere Stärke ist dabei nicht die Lautstärke, sondern inhaltliche Arbeit, Austausch und Dialog. Dafür stehen wir als BIVEB seit über vier Jahren. Deshalb bleiben wir auch zukünftig bei der Sachfrage und gehen nicht wie Herr Treut auf sein Feld des Persönlichen. Das schafft nur spaltende Emotionen, aber keine Lösungen und die braucht Bretten dringend.
Treut sprach davon, dass die BIVEB nur aus einer „Handvoll Leuten“ bestünde, denen es nur um Einzelinteressen gehe, die vor dem Gemeinwohl stünden. Wer steckt denn nun hinter der BIVEB?
Frank Schneidereit: Alleine bei unserer Spontangründung 2017 – die Presse war damals live dabei und hatte darüber berichtet – waren wir bereits ein Gründungskreis von mehr als 20 Mitstreitern. Schon im Sommer 2017 hatten uns mehr als 250 Unterzeichner eines offenen Briefes der BIVEB an die Gemeinderäte und OB aktiv unterstützt. Der Kreis ist stetig gewachsen. Dass wir keine ‚Handvoll Leute‘ sein können, zeigen alleine auch schon unsere Auftritte und Erfolge über die letzten Jahre hinweg – wie den Einwohnerantrag mit mehr als 800 Unterzeichnern im Juli 2018, das Mobilitätskonzept, die inhaltliche und prozessuale Begleitung des Mobilitätskonzeptes, die Auswertung von Verkehrsuntersuchungen, unserer Internetseite und weitere. Das sind alles sehr arbeitsreiche Projekte, die nur mit einem großen und engagierten Team und vielen fachlichen Unterstützern möglich sind. Gesteuert wird das Ganze durch ein siebenköpfiges Organisationsteam. Wieviel Leute braucht es denn, bis Ergebnisse und Fakten aus offiziell in Auftrag gegebenen Gutachten als bedeutsam angesprochen und diskutiert werden dürfen?
Wenn es um die BIVEB geht, wird auch immer das Mobilitätskonzept der Stadt genannt, das allmählich Gestalt annimmt. Könnten Sie nochmals kurz skizzieren, welchen Anteil Sie am Mobilitätskonzept haben?
Frank Schneidereit: Durch den von uns gestellten Einwohnerantrag im Juli 2018 waren Stadtverwaltung und Gemeinderat verpflichtet, inhaltlich Stellung zu nehmen und eine Entscheidung darüber zu treffen. Mit unserem Antrag wurde zum ersten Mal das Augenmerk auf das Miteinander aller Mobilitätsarten und deren Vernetzung gesetzt.
Zuvor waren ausschließlich Konzepte für einzelne Verkehrsformen beschlossen worden, wie die Erstellung eines Radverkehrskonzeptes im April 2017. Die einzelnen Fraktionen hatten es zu diesem Zeitpunkt nicht geschafft, an einem Strang zu ziehen. Den vorherrschenden fraktionellen Machtkampf konnten wir mit unserem Einwohnerantrag unterbrechen und das Mobilitätskonzept für Bretten auf den Weg bringen. Nachdem jetzt das Mobilitätskonzept erfolgreich erarbeitet wurde, möchten gerne auch andere der Urheber sein. Unser Einwohner-antrag hatte folgenden Inhalt: Wir beantragen die zeitnahe Beauftragung eines Gesamtmobilitätskonzeptes für die Große Kreisstadt Bretten, erstens mit einer umfänglichen Betrachtung aller Mobilitätsarten und deren Vernetzung, zweitens auf Grundlage definierter Rahmenbedingungen und Ziele sowie drittens unter Einbeziehung der Anregungen aus Bürgerschaft und Fraktionen.
Treuts Wahrnehmung nach versuchen Sie Einfluss beim Regierungspräsidium Karlsruhe zu nehmen, zitieren Gutachten nur halb und lassen das Wesentliche weg, wenn es nicht Ihren Zwecken diene, die er allein in der Verhinderung der Ortsumfahrung sieht. Was sagen Sie dazu?
Frank Schneidereit: Diese Unterstellungen sind absoluter Unsinn. Die von uns zitierten Zahlen sind dem aktuellen Verkehrsgutachten des Regierungspräsidiums entnommen und können dort alle nachvollzogen werden. Unser Austausch mit dem Regierungspräsidium zielte darauf ab, Verständnisfragen zu den Unterlagen zu klären, um sorgfältig und verständlich das Gesamtergebnis darstellen zu können. Die Verantwortung für Verkehrszahlen und Prognosen verbleiben allein beim Regierungspräsidium. Da bisher von der Stadtverwaltung keine Information erfolgte, sind wir lediglich der Überbringer der Botschaft. Fazit ist nun, dass die von politischer Seite teilweise geweckten Illusionen einer Verkehrsentlastung den vorliegenden Ergebnissen der Verkehrsuntersuchung nicht standhalten. Dass Herr Treut durch die Zahlen in Erklärungsnot gerät, ändert aber nichts am Ergebnis. Leider geht er mit keinem einzelnen Satz inhaltlich auf die Zahlen und Argumente ein.
Ein weiterer Vorwurf des Brettener Stadtrats lautete, dass die BIVEB nicht über ihren Tellerrand hinausschaue, denn wenn „die Verkehrs- und Energie-Transformation abgeschlossen ist und Deutschland rein elektrisch fährt, werden Geräuschemissionen oder Abgase auf der Umgehungsstraße kein Thema mehr sein.“ Haben Sie denn die E-Mobilität nicht im Blick?
Frank Schneidereit: Gerade die BIVEB schaut in Bezug auf Mobilität der Zukunft weit über den Tellerrand hinaus. Über den Tellerrand bedeutet, sowohl alternativer Fortbewegung abseits des Autos eine Berechtigung zu geben, als auch die Perspektive kommender Generationen zu berücksichtigen. Das im Mobilitätskonzept erarbeitete Leitmotiv „Eine neue und nachhaltige Mobilitätskultur für Bretten“ spiegelt den bevorstehenden Wandel wieder. Die alleinige Konzentration auf elektrisches Fahren ist sicher nicht das Ende der Mobilitätswende. Klientelpolitik wäre, wenn man das Gutachten nur durch die Automobilbrille ansehen und schön reden würde. Worin besteht denn der Blick über den Tellerrand bei Herrn Treut?
Am Schluss seiner „Brandrede“ hat Treut sogar die Verwaltungsspitze aufgefordert, die BIVEB zu beobachten, damit sie nicht noch weiter Schaden in der Stadt anrichten könne. Möchten Sie sich dazu überhaupt äußern?
Frank Schneidereit: Diese Aussage eines gewählten Vertreters der Bürgerschaft in einer öffentlichen Sitzung ist eines Gemeinderates absolut unwürdig. Wo Inhalte fehlen, bleibt augenscheinlich nur Polemik übrig. Da scheint ihm sein demokratisches Grundverständnis abhandengekommen zu sein. Möge diese Form der Beobachtung für staatsfeindliche Gruppierungen greifen. Bei weitem jedoch nicht für Bürger, die sachlich informieren und ihr Recht auf freie Meinungsäußerung wahrnehmen. Unser Fazit: Herr Treut versucht mit seiner unsachlichen Kritik an der BIVEB vom eigentlichen Ergebnis des Verkehrsgutachtens abzulenken. Ohne spürbare Entlastung macht eine Umgehung für Bretten keinen Sinn.
Die Fragen stellte Brettener Woche/kraichgau.news-Redakteurin Katrin Gerweck.