Leserbriefe von T. Peschel, A. Papapostolou, T. Holland-Cunz
Mene tekel oder Belsazars Gastmahl?
Leserbrief zum Artikel „Umfangreiche Aufforstung im Stadtwald“ im Amtsblatt vom 7. April
(Brettener Woche, 14.04.2021, Thomas Peschel, Rinklingen)
„Die Mitternacht zog näher schon; In stummer Ruh lag Babylon.“ Ältere Brettener Mitbürger*innen werden sich vielleicht noch daran erinnern, als Schüler diese Zeilen von Heinrich Heines Ballade „Belsatzar“ auswendig gelernt zu haben. Heine greift darin die Geschichte des babylonischen Königs Belsazar aus dem Alten Testament (Daniel Fünf) auf. Nach Daniel Fünf feierte Belsazar ein rauschhaftes Fest in seinem Palast, in dessen Verlauf er die, aus dem Jerusalemer Tempel geraubten Tempelpokale holen lässt, um daraus zu trinken. In Folge dieses Sakrilegs erscheint auf der Palastwand eine wie von Geisterhand geschriebene Flammenschrift: „Mene mene tekel upharsin“. Der Prophet Daniel deutet dem König die Schrift als Untergangs-Prophezeihung für sich und sein Reich. (wikipedia.org/wiki/Das_Gastmahl_des_Belsazar )
Durch Heinrich Heines populäre Ballade ging das „Mene tekel“ als dramatisches Vorzei- chen drohenden Unheils in den Sprachgebrauch ein. Damit komme ich zurück zum Bericht „Schwere Dürreschäden an Altbuchen“ im Amtsblatt der Stadt Bretten. In Bretten steht die Flammenschrift des „Mene tekels“ in Form von absterbenden Altbuchen im Stadtwald. Die Ursache für das dramatische Sterben der Altbäume ist vielfach belegt und ist dem Klimawandel zuzuschreiben. Der Brettener Forstamtsleiter Ewald Kugler warnt: „Sollte es nicht gelingen, die Klimaerwärmung zu stoppen, kommt die Walderhaltung an ihre Grenzen“. Ich ergänze: Nur wenn die Klimaerwärmung bei 1,5 Grad gestoppt wird, hat der Wald mit seinen Regenerationskräften und durch die intensiven, verdienstvollen Bemühungen des Forstamtes in Bretten und Deutschland eine Überlebenschance. Andernfalls verlieren wir den Wald.
Mit den derzeitigen Klimaschutzanstrengungen steuern wir auf eine Erwärmung von drei Grad zu. Wir werden demzufolge den Wald und unsere weiteren Lebensgrundlagen verlieren! Bürgermeister Nöltner erklärt im selben Artikel hierzu: „…wir sollten alles in unserer Macht Stehende tun, um diesem Trend entgegenzuwirken“. Ich stimme Herrn Bürgermeister Nöltner aus tiefstem Herzen zu! Was ich jedoch nicht verstehe ist, wieso der Brettener Stadtrat in Kenntnis dieser Situation an der Planung zur Südwestumfahrung festhält?
Tun wir in Bretten wirklich alles, um dem Trend entgegenzuwirken, wenn wir mit einer Trassenführung für eine Süd- westumfahrung 37.400 Quadratmeter fruchtbaren Brettener Ackerbodens versiegeln? Dies allein für das reine Asphaltband, den sekundären Flächenverbrauch für Baustellenwege, Aushubdeponie, Materiallagerung et cetera noch gar nicht mitgerechnet. 3,74 Hektar Flächenversiegelung, das sind gut fünf Fußballfelder. Fällt uns tatsächlich keine ressourcenschonendere Variante ein?
Mir scheint, das „Mene tekel“ im Brettener Wald will der Stadtrat nicht lesen. Stattdessen wird von der CDU-Fraktion ein zusätzliches Industriegebiet im Zusammenhang mit der Südwestumfahrung gefordert, das angeblich „unbedingt neu auszuweisen“ sei. Nochmalige Versiegelung fruchtbaren Bodens! Der Wert eines unserer wichtigsten Schätze, des Bodenschatzes wird offensichtlich immer noch gering geschätzt und als beliebige Verfügungsmasse gesehen.
Wie kostbar, wie empfindlich und wie schnell verloren dieser Bodenschatz ist, wird von Professor Harald Lesch in der Sendung „Bodenlose Zukunft? Wenn der Acker verschwindet“ in der Sendung vom 29. September 2020 im ZDF eindrucksvoll dargestellt. Ich empfehle dem Brettener Stadtrat diese Sendung in der Mediathek anzuschauen und bitte Herrn Bürgermeister Nöltner als zuständigen Bürgermeister, für den Brettener Stadtrat eine Exkursion in den Sprantaler Wald zu organisieren, um sich durch den Forstamtsleiter über das Buchensterben vor Ort informieren zu lassen. Vielleicht werden einige Fraktionen ihre Zustimmung zur Südwestumfahrung anschließend überdenken?
Laut Professor Harald Lesch werden pro Jahr in Deutschland noch immer einhundertfünfzig Quadratkilometer unverbaute Natur versiegelt. Ich denke, wir können nur vor Ort damit beginnen, diesen Wahnsinn zu stoppen!
Abschließend möchte ich mich bei der BIVEB, namentlich bei Katrin Breuer und Frank Schneidereit dafür bedanken, dass sie die undankbare Rolle des unbequemen Mahners wahrnehmen. Ich werde die BIVEB weiterhin aktiv unterstützen und hoffe, dass die Verantwortungsträger in Bretten das „Mene tekel“ nicht ignorieren. Das babylonische Reich ist damals bekanntlich untergegangen.
Weiter so ist Rückschritt
Leserbrief zum Artikel „Bund nimmt Spaten in die Hand“ vom 7. April
(Brettener Woche, 14.04.2021, Thomas Holland-Cunz, Neibsheim)
„Man muss froh sein, wenn der Bund den Spaten in die Hand nimmt“. So wird die CDU-Fraktion zum Thema Südwestumgehung zitiert. Die Folgen dieser Umgehung werden allerdings geflissentlich verschwiegen. Für den Bund ist die geplante Straße Teil einer größeren Umgehungsmaßnahme (Bauschlott, Bretten, Bruchsal), die genau zwei Ziele verfolgt: Erstens sollen die Autobahnen A8 und A5 im Raum Karlsruhe entlastet und deshalb, zweitens, eine hindernisfreie Abkürzung zwischen Pforzheim und Bruchsal geschaffen werden. Dass dieses Vorhaben täglich mehr als 10.000 Fahrzeuge (auch viele Lkw) ins Naherholungsgebiet beim Rechberg schwemmt, ist so gewollt – nachzulesen im Bundesverkehrswegeplan.
Was bringt es uns also, wenn „der Bund den Spaten in die Hand nimmt“?… massiven Naturverbrauch, Zerstörung von Nutzflächen, Einschränkung eines Naherholungsgebiets, Lärm und Luftverschmutzung in einer Frischluftschneise, die für Bretten (lebens)wichtig ist.
Als Gegenleistung gibt es ein weiteres „Industriegebiet“, das wiederum Naturflächen versiegelt und zusätzlichen Autoverkehr auch nach Bretten zieht. Für mich ist klar, dass eine solche Einnahmequelle für die Stadt nur mit sehr hohen Verlusten an Lebensqualität bezahlt wird.
Außerdem tritt im Beitrag der CDU die wahre Motivationslage zutage: Es geht gar nicht um die Verkehrsentlastung der Innenstadt, wie seit Jahren kolportiert wird. Es geht um Industrieansiedlung und darum, dass die Stadt diese Umgehung nicht bezahlen muss. Meiner Meinung nach gibt es aber sinnvollere Möglichkeiten, Geld vom Bund zu nutzen: eine bessere kommunale Klimaschutzpolitik wird mit Geld aus Berlin, Brüssel und Stuttgart unterstützt und würde die Lebensqualität in Bretten deutlich erhöhen. Gerade auch hinsichtlich der geplanten Gartenschau!
Noch einige Worte zur Bürgerinitiative BIVEB: Ich gehöre auch zu den Unterstützern, ich wohne weder in Rinklingen noch im Steiner Pfad, ich gehöre auch zu den über 800 Menschen, die für ein Mobilitätskonzept unterschrieben haben. Ich weiß nicht, wie viele Brettener Bürger*innen hinter der BIVEB stehen, aber es sind sicher nicht nur einige „Betroffene“. Mir geht es dabei um die Sache. Die letzten Jahrzehnte haben gezeigt, dass wir nicht auf dem richtigen Weg sind. Wir müssen lernen, endlich nachhaltiger zu leben und zu wirtschaften – „weiter so“ ist Rückschritt für Natur und Mensch.
Allerdings würde sich die tatsächliche Beeinträchtigung in Grenzen halten und von der Entlastung der Innenstadt alle am Stadtleben beteiligten nachhaltig profitieren.
Scheinargumente der CDU
Leserbrief zum Artikel „Bund nimmt Spaten in die Hand“ vom 7. April
(Brettener Woche, 14.04.2021, Apostolos Papapostolou, Bretten)
Die Brettener CDU-Fraktion ignoriert offensichtlich die Ergebnisse einer Verkehrszählung, die vermutlich mit Ihren eigenen Stimmen im Stadtrat beschlossen wurde, weil ihr das Ergebnis nicht gefällt. Angeblich sei die Erhebung von 2017 veraltet. Stattdessen wird eine neuere Erhebung aus dem Jahr 2019 zitiert, ohne zu erklären, wie sich der Verkehr in Quell-, Ziel- und Durchgangsverkehr aufschlüsselt.
Die Erhebung von 2017, die mit moderner Kamera-Technik erhoben wurde, zeigt, dass der Durchgangsverkehr eine Größenordnung von zehn Prozent ausmacht. Wenn eine neuere Erhebung aus dem Jahr 2019 existiert, warum werden keine detaillierten Zahlen über die Zusammensetzung von Quell-, Ziel- und Durchgangsverkehr bekannt gegeben? Stattdessen wird als „seriöse“ Erhebungs-Methode eine „aufmerksame Analyse der Kennzeichen“ vorgeschlagen. Wer hat diese „aufmerksame Analyse“ vorgenommen? Wie viele Fahrzeuge mit fremden Kennzeichen wurden genau gezählt? Oder handelt es sich einfach um subjektive Wahrnehmungen?
Ebenfalls ist es naiv anzunehmen, dass alle Fahrzeuge mit fremden Kennzeichen dem Durchgangsverkehr zuzuordnen sind. Die meisten Warentransporte zu Brettener Firmen oder von Brettener Firmen werden von Fahrzeugen mit fremden Kennzeichen durchgeführt. Es gibt Brettener Bürger, die privat Firmenfahrzeuge mit fremden Kennzeichen fahren. Es gibt Menschen aus angrenzenden Kreisen, die nach Bretten zum Einkaufen, zum Arzt oder zum Arbeiten fahren. Alle diese Verkehre sind dem Quell- und Zielverkehr zuzuordnen. Eine Umgehungsstraße würde diese Verkehre nicht in einer nennenswerten Größenordnung aus Bretten heraushalten.
Es ist sinnlos anzunehmen, dass eine „aufmerksame Analyse der Kennzeichen“ zu einer belastbaren Aussage über den Anteil des Durchgangsverkehrs führen kann. Es ist auch kaum zu glauben, dass sich die Verkehrsströme seit 2017 grundsätzlich verändert haben, so dass die Erhebung aus dem Jahr 2017 in ihrer Grundaussage vollständig umgedreht wird. Die Argumente der Brettener CDU-Fraktion entlarven sich selbst als „Scheinargumente“, die einerobjektivenÜberprüfung nicht standhalten.