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Leserbriefe Brettener Woche, Juli 2021

Leserbriefe NABU, BUND, Dieter Argast

Biologische Vielfalt und Landwirtschaft.

Leserbrief zur geplanten Umsetzung des Regionalplans.

(Brettener Woche, 07.07.2021, Norbert Fleischer, Bretten)

Die Landesregierung hat in ihrem am 31. Juli 2020 erlassenen Biodiversitätsstärkungsgesetz den Schutz der landwirtschaftlichen Flächen als einen der wesentlichen Punkte aufgeführt: „Landwirtschaftliche

Flächen stellen für die Landwirtschaft die zentrale Produktionsressource dar. Ein Ziel des Landes ist es, landwirtschaftliche Flächen zu schützen und so zur Landschaftsentwicklung beizutragen. Für die
landwirtschaftliche Nutzung besonders geeignete Böden sollen nach Möglichkeit geschont werden.“

Doch wie sieht es in der Realität aus? Jeden Tag werden in Baden-Württemberg 4,8 Hektar überbaut
(Quelle: Statistisches Landesamt). In der Fortschreibung des Regionalplans Mittlerer Oberrhein wird ein Bedarf an Siedlungs- und Gewerbeflächen von 2.001 Hektar ausgewiesen, für Bretten 96 Hektar. Unter den in Bretten geplanten 21 Siedlungserweiterungen fallen aufgrund der Größe besonders zwei auf: Das „Karlsruher Dreieck“ bei Diedelsheim und die Siedlungserweiterung entlang der geplanten Südwestumgehung bei Rinklingen. Bei Umsetzung der Planung würde sich die Ortschaftsgröße jeweils verdoppeln. Beide Flächen waren im Entwurf des Regionalverbands nicht enthalten und wurden erst auf Antrag der Stadt Bretten in den Plan aufgenommen.

Wir beklagen einerseits die Abholzung des Urwalds im Amazonas für den Sojaanbau. Gleichzeitig haben wir kein Problem damit, 96 Hektar zu versiegeln. Viele Äcker um Bretten und damit ihre Funktionen würden großflächig verschwinden. Neben der Sicherung der Ernährungsgrundlagen sind sie grundsätzlich Lebensraum für Tiere und Pflanzen. Durch die Versiegelung gelangt in den Boden kein Wasser und der Grundwasserspiegel sinkt. Bei Starkregen stürzen die Regenmassen an der Oberfläche ins Tal. Die Gebäude und Straßen speichern im Sommer die Wärme und die Temperatur steigt an. Durch die Gebäude wird der Kaltluftabfluss behindert.

Wo einst Tiere und Pflanzen lebten, sind jetzt Beton und Asphalt. Die Böden mit ihrer organischen Substanz als einer der größten CO2-Speicher können diese Funktion nicht mehr erfüllen. Zudem dient die Kulturlandschaft der Erholung der Menschen. In den letzten Jahren hat die Artenvielfalt besonders in der Agrarlandschaft sehr abgenommen. Sind in der EU die Bestands-indizes der Vögel in den Wäldern seit 1990 um 12,2 Prozent zurückgegangen, so sind sie in der Agrarlandschaft auf 68,5 Prozent gesunken. Das Rebhuhn, ein ehemals fester Bestandteil der Kulturlandschaft, hat in Deutschland 90 Prozent seiner Bestände verloren.

Die Bürger von Bretten, die Ortschaftsräte, der Gemeinderat, die Landwirte und die Naturschutzverbände stehen einerseits in der Pflicht, die landwirtschaftlichen Flächen und damit deren Funktionen zu erhalten. Andererseits sind alle Beteiligten aufgefordert, auf diesen Flächen die Artenvielfalt zu erhöhen. Je größer die Vielfalt an unterschiedlichen Strukturelementen wie Hecken, Tümpeln, Totholzhaufen, Gras- und
Blühstreifen ist, umso größer wird die Biodiversität sein.

Die Gemeinderäte haben es in der Hand, wie Bretten sich weiter entwickeln soll. Der NABU Bretten
fordert deshalb die Einzelabstimmung über jede der 21 Siedlungserweiterungen und die Ablehnung der beiden großen Siedlungserweiterungen bei Rinklingen und Diedelsheim. Gleichzeitig fordert er aber die Aufwertung speziell dieser beiden Ackerflächen. Im Biodiversitätsstärkungsgesetz wurde bezüglich der Fläche vereinbart, dass bis 2030 auf zehn Prozent der landwirtschaftlichen Fläche Refugialflächen (dauerhafte Rückzugs- und Lebensräume für Tiere und Pflanzen) angelegt werden und ein landesweiter
Biotopverbund auf 15 Prozent der Landesfläche aufgebaut werden soll. Lassen Sie uns die beiden
Siedlungserweiterungen zu einem Modell für die Förderung biologischer Vielfalt bei Sicherung der landwirtschaftlichen Produktion machen.

Norbert Fleischer, Vorsitzender NABU Bretten

Keine neuen Umgehungsstraßen.

Leserbrief zum Thema Südwestumfahrung.

(Brettener Woche, 07.07.2021, Dieter Argast, Erlangen)

Als ehemaliger Dürrenbüchiger verfolge ich die Entwicklungen und Ereignisse in meiner alten Heimat
immer noch, so auch die geplante Südwest-Umfahrung der Stadt. Das zunehmende, vor allem
überregionale Autoverkehrsaufkommen ist sicher eine große Belastung für Bretten. Ich selbst habe viele
Jahre in Erlangen an einer Hauptverkehrsstraße gewohnt und kenne deshalb solche Situationen sehr gut.
Trotzdem halte ich den Bau von immer neuen Umfahrungsstraßen im Hinblick auf Klimawandel und
Umweltbelastung für falsch.

Zusätzliche Straßen ziehen noch mehr Verkehr an, sie widersprechen dem Geist und der Zielsetzung von
allen nationalen und internationalen Abkommen, Verträgen und Gesetzen, mit denen bis 2050
Klimaneutralität erreicht und die Erderwärmung auf 1,5 Grad begrenzt werden soll. Deutsch-land verfehlt
seine Verpflichtungen vor allem im Verkehrssektor, dessen Emissionen (Anteil 30 Prozent) seit 1990 kaum
zurückgegangen sind. Der Verkehrssektor gilt als Achillesferse des Klimaschutzes. Auch im Klimaschutzgesetz von Baden-Württemberg werden den Kommunen Klimamobilitätspläne nahegelegt,
um dauerhaft zur Verminderung der Treibhausgasemissionen beizutragen.

Die lokalen und ökologischen Argumente, die gegen eine Ortsumfahrung sprechen, dürften hinlänglich
bekannt sein. Neue Straßen erzeugen zusätzlichen Autoverkehr, denn wenn man dann schneller und
bequemer von A nach B kommt, wird dies ausgenutzt. Die SW-Umfahrung wird vor allem Lkw-
Maut“einsparer“ anlocken, denn die Strecke über Bretten ist für den Nord-Süd-Autobahnverkehr kürzer
und die Staus um Karlsruhe werden umfahren. Der Landschafts- und Flächenverbrauch, die
Zerschneidung und Verinselung von Habitaten, die Zerstörung von wertvollen Landschaftsschutzgebieten
ist nicht zu rechtfertigen. Bretten wird rundherum von Umfahrungs-/Schnellstraßen umgeben sein – ist
das erstrebenswert?

Ortsumfahrungen sind langfristig keine Lösung, sie verlagern die Probleme nur an den Stadtrand und
schaffen neue – dann leiden andere Bewohner sowie Natur und Umwelt. Unser Verkehrsgrundproblem:
Fast jeder Zeitgenosse will schnell und bequem mit dem eigenen Fahrzeug zum Ziel – aber keiner will den
Autoverkehr vor dem Haus haben. Die Klimaprobleme werden nicht gelöst, wenn zwar vieles in
Verträgen und Gesetzen geregelt ist, auf kommunaler Ebene aber oft das Gegenteil gemacht wird, egal ob
es um Straßenbau, Flächenverbrauch oder Emissionen geht, weil eine kurzfristige lokale Problemlösung
wichtiger erscheint, als eine gesamtgesellschaftliche Betrachtungsweise. Solange national wie
international keine verbindlichen und konkreten Wege aufgezeigt werden, wie die Klimaneutralität bis
2050 erreicht werden kann – so lange sollten keine zusätzlichen Straßen gebaut werden. Die zusätzlich
entstehenden sozialen und ökologischen Folgekosten des motorisierten Individualverkehrs, die nicht vom
Verursacher, sondern von der Allgemeinheit getragen werden, werden sich weiter erhöhen.

Auch die Vorstellung, dass nach dem Abschluss der „Energie- und Verkehrstransformation“ (wenn nur
noch E-Autos fahren) Lärm und Abgase kein Thema mehr sein werden, ist reines Wunschdenken. Es gibt schließlich mächtige und einflussreiche Interessenvertreter, die eine konsequente Transformation mit aller Macht verhindern werden. Solange E-Autos mit Strom aus Kohle- und Kernkraftwerken gespeist werden,
ist eine totale Umstellung auch nicht erstrebenswert. Zudem ist die Rohstoffgewinnung, Produktion und
die Entsorgung von solchen Fahrzeugen nicht umweltverträglicher als bei bisherigen Verbrennern. Lauter
Elektroautos ergeben noch lange nicht die notwendige Verkehrswende. Der Platzbedarf für den Verkehr wird nicht geringer, die Staus auch nicht. Der emittierte Feinstaub beim Reifenabrieb (Anteil Autoverkehr 30 Prozent an den Gesamtemissionen) verschwindet auch nicht, sondern wird bei Westwind auf Bretten
geweht. Mit den Methoden des letzten Jahrhunderts werden die Verkehrsprobleme nicht gelöst, sondern verschlimmert.
 
Dieter Argast, Erlangen

Zerschneidung hat gravierende Folgen.

Leserbrief zur Südwestumgehung in Bretten.

(Brettener Woche, 07.07.2021, Gerhard Dittes, Bretten)

Deutschland hat eines der engsten Straßennetze der Welt. Autobahnen, Bundesstraßen und Bahnlinien
zerschneiden Landschaften und Biotope. Mit den verbleibenden Naturflächen muss sich die einheimische Tierwelt begnügen, denn die sie umgebenden Trassen können von den meisten Arten nicht überquert werden. In Baden-Württemberg sind nur noch eine Handvoll zusammenhängende, großflächige Lebensräume übriggeblieben. Dies hat einen Rückgang der Artenvielfalt zur Folge, der die Stabilität des Naturhaushalts entscheidend schwächt.

So zeigten Untersuchungen, dass von hundert Erdkröten bei ihrer Wanderung zum Laichgewässer und
wieder zurück nur noch vier am Leben geblieben sind. Dadurch nimmt die Population drastisch ab und kann schon nach wenigen Jahren ganz erloschen sein. Um dies zu verhindern, schützt der BUND Bretten seit vier Jahrzehnten Kröten, Frösche, Molche und Salamander auf ihrem Weg zum Laichgewässer durch Schutzzäune und Leiteinrichtungen, die den Tieren ein gefahrloses Unterqueren der Straße ermöglichen.

Der Ausbau des Straßennetzes hat zusammen mit der Zunahme der Kraftfahrzeuge den Bestand der wild
lebenden Tiere drastisch dezimiert. So werden in Deutschland in jedem Jahr etwa eine halbe Million Igel
überfahren. Die Restflächen sind dann oft zu klein für das Überleben der hier vorkommenden Pflanzen und Tierarten. Durch diese „Verinselung“ wird der Austausch von Erbgut unterbrochen, was zum Verlust der arttypischen Merkmale und zur Inzucht führt. Auf diese Weise verarmt unsere Natur immer mehr.

Auch muss berücksichtigt werden, dass der Fahrbahnbelag aus schwarzem Asphalt bis zu 90 Prozent der Sonneneinstrahlung absorbiert und sich dabei auf über 60 Grad Celsius aufheizen kann. Die Überquerung dieser nur wenige Meter breiten Zone mit Temperaturen wie in der Sandwüste ist für viele Tiere, wie zum
Beispiel Blindschleichen oder Laufkäfer, tödlich.

Jede weitere Fragmentierung der Landschaft – wie die geplante Ortsumfahrung im Südwesten von Bretten – trägt zum Verlust der Artenvielfalt vor Ort bei. Dies widerspricht den „Zielen der Nationalen Strategie
zur Biologischen Vielfalt“, die am 7. November 2007 vom Bundeskabinett in Berlin verabschiedet wurde.
Weitere Informationen unter kraichgau.news/78402 oder www.bund-bretten.de.

Gerhard Dittes, BUND Bretten

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