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Pressebeitrag: Kritik an Südwestumgehung

20 Megawatt Heizleistung im Sommer

BUND Bretten kritisiert geplanten Bau der Südwest-Umgehung

(Brettener Woche, 16.02.2022, Beatrix Drescher)

Bretten/Region (bea) Erneute Kritik am geplanten Bau der Südwest-Umgehung in Bretten erhebt Gerhard Dittes, Vorsitzender des BUND Bretten. Einer seiner Hauptkritikpunkte: Durch die rund zwei Kilometer lange und sechs Meter breite, asphaltierte Fahrbahn samt Anschlussstellen, werde eine Heizleistung von 20 Megawatt im Sommer erreicht. Die so entstehende Wärme werde durch den Westwind in die Stadt und ihre Wohngebiete geweht und trage dort zu einer weiteren Aufheizung bei.

„Klima-Folgen nicht der nächsten Generation aufbürden“

Das Prekäre daran sei, dass das Bundesverfassungsgericht am 29. April 2021 ein Urteil gefällt habe, welches besage, dass die Einhaltung der 1,5 Grad Grenze des Pariser Klimaschutzabkommens rechtlich verbindlich sei, sagt Dittes. „Das Klimaschutzgesetz verpflichtet dazu, die Treibhausgasemissionen bis zum Jahr 2030 um 55 Prozent gegenüber 1990 zu mindern und legt durch sektorenbezogene Jahresemissionsmengen die bis dahin geltenden Reduktionspfade fest“, heißt es dazu auf der Internetseite des Bundesverfassungsgerichts. Dieses Gesetz trat in Deutschland im Dezember 2019 in Kraft. Bereits seit 2007 gilt in Deutschland die Nationale Strategie zur Biologischen Vielfalt mit dem Ziel, gesunde und widerstandsfähige Ökosysteme aufzubauen und geschädigte Ökosysteme wieder herzustellen, sagt der BUND-Mann. Daher sollte zuallererst darauf geachtet werden, dass keine Ökosysteme beispielsweise durch derartige Maßnahmen zerstört würden. Ebenfalls müsse Deutschland laut Urteil eine vorausschauende Planung entwickeln und dürfe die klimatechnischen Folgen des eigenen Tuns nicht der nächsten Generation aufbürden.

„Wir brauchen keine neuen Straßen“

Dazu gehöre auch eine Aufheizung durch die Versiegelung von Fläche, sei es bei Wohnbebauung, Gewerbegebieten oder eben dem Straßenbau. „Wir brauchen keine neuen Straßen, sondern weniger Individualverkehr und mehr ÖPNV“, fordert Dittes. So auch von Treibstoffen für Fahrzeuge. Desweiteren argumentiert Dittes, dass die durch den Bau ausgelöste Landschaftsfragmentierung als eine der Hauptursachen des Biodiversitätsverlusts bekannt sei. So folge dem Bau der Trasse eine Trennwirkung für wandernde Tiere wie Reptilien oder Rehe. Dies werde auch Auswirkungen auf das benachbarte FFH-Gebiet haben. Auf der Straße werde es außerdem viele tierische Verkehrstote geben, die wie Insekten in keiner Statistik auftauchen würden. Auch würde die Grundwasserbildung am Rechberg durch den Tunnelbau behindert und das Regenwasser von der Straße, mitsamt Ölspuren, Reifenabrieb und Streusalz im Winter, müsste gesondert aufgefangen werden.

Hohe Kosten für anstehende Brückensanierungen

Dabei stünden für den Bund ohnehin hohe Kosten für anstehende Brückensanierungen entlang der Bundesstraßen an. „Daran denkt niemand“, sagt Dittes. Wichtiger sei es im Sankt-Florians-Prinzip, den Durchgangsverkehr aus der Stadt herauszubekommen. Dafür würden fruchtbare und von lokalen Landwirten bestellte Felder doppelt geopfert, einmal für den Bau der Trasse selbst und ein weiteres Mal für die vorgeschriebenen Ausgleichsflächen.

Foto: BIVEB

Vorschlag für eine alternative Trassenführung

Darüber hinaus, so Dittes, werde der Bau der Umgehung wahrscheinlich eine Zweckflurbereinigung nach sich ziehen, wie es bei der Umgehungsstraße von Gölshausen der Fall gewesen sei. Auch Feld- und Spazierwege würden wohl im Rahmen eines solchen Verfahrens geändert. Wenn dies so komme, würden die Brettener Bürger, die entlang des Trassenverlaufs ein Grundstück hätten, belastet. Aus diesen vielfältigen Gründen hätten BUND und Nabu Bretten im Rahmen des Scoping-Verfahrens einen Vorschlag für eine alternative Trassenführung gemacht. Doch der Nabu Bretten zweifelt daran, dass es ein Moratorium auf Bundesebene geben wird. Eher müsse man hoffen, dass das Land Baden-Württemberg etwas gegen den hohen Flächenverbrauch von etwa fünf Hektar am Tag unternehme, sagt Nabu-Vorsitzender Norbert Fleischer auf Anfrage der Brettener Woche. Derzeit warte der Nabu, bis das Regierungspräsidium (RP) dem Naturschutzbund weitere Planungsschritte mitteile.

„Bretten erstickt im Verkehr“

Den Argumenten des BUND Bretten hält FDP-Landtagsabgeordneter Christian Jung entgegen, dass Bretten im Verkehr ersticke. Für ihn sei die Umfahrung „deshalb indirekt ein Beitrag zum Klimaschutz, um die Verkehrsinfrastruktur zu optimieren“. Der Vorschlag der Umweltverbände sei keine Alternative und das Urteil des Bundesverfassungsgerichts „spielt bei der B294-Ortsumgehung von Bretten keine Rolle, da es im Zuge der Planungen und des Baus automatisch zu Ausgleichsflächen kommen wird“, so Jung. Vielmehr sei das Land durch die Auftragsverwaltung des Bundes verpflichtet, die Planungen für die B294-Ortsumgehung weiterzuführen. „Im Rahmen des Planungsprozesses hat jeder die Möglichkeit, Argumente dafür oder dagegen vorzutragen.“ Gegebenenfalls würden die Planungen dann optimiert. Und: „An anderen Beispielen rund um Bretten, wie der Kurven-Ortsumgehung der B293 bei Gölshausen, sehen wir jeden Tag, wie sinnvoll derartige Verkehrsentlastungen sind, um besonders den Schwerlastverkehr aus den Innenstädten herauszubekommen.“

„Jeder Meter Tunnel-Länge hilft, Eingriff in die Natur zu reduzieren“

Auch der CDU-Landtagsabgeordnete Ansgar Mayr kann keine Unvereinbarkeit des Urteils vom Bundesverfassungsgerichts und dem Bau der Umgehung erkennen. „Für Bretten hätte die Umfahrung außerdem den Vorteil, dass das Gartenschaukonzept wie geplant umgesetzt werden kann. Bisher innerörtlich versiegelte Fläche kann rückgebaut und begrünt werden, wodurch die Lebensqualität in der Kernstadt dauerhaft gesteigert wird“, so Mayr. Eine Ost-Umfahrung, wie von den Verbänden vorgeschlagen, bringe keine Entlastung für den Alexanderplatz und wirke sich negativ auf den Verkehrsfluss aus. „Auch sehe ich bei der Ost-Umfahrung die Gefahr, dass ein Teil des überregionalen Verkehrs weiterhin durch die Brettener Innenstadt fährt.“ Eingriffe in die Natur müssten ortsnah ausgeglichen werden. „Klar ist aber auch, dass jeder Meter Tunnellänge dabei hilft, den Eingriff in die Natur zu reduzieren.“

„Brauchen notwendiges Mindestmaß“

Seine Unterstützung für die Ortsumfahrung erklärte auch Bundestagsabgeordneter Nicolas Zippelius (CDU), da diese den Kernstadtbereich von Bretten vom steigenden Verkehrsaufkommen, insbesondere vom überörtlichen Durchgangsverkehr, entlasten soll. Die Tunnellösung solle die Auswirkungen auf Natur und Umwelt auf „das notwendige Mindestmaß“ reduzieren. Zudem forderten Stadtverwaltung und eine Mehrheit des Gemeinderats die Ortsumfahrung. Des Weiteren impliziere das Urteil des Bundesverfassungsgerichts nicht, dass alle Straßenbauprojekte grundsätzlich neu beurteilt werden müssten.

Negative, gesundheitliche Folgen in „Hitzesommern“

Grünen-Landtagsabgeordnete Andrea Schwarz teilt die Argumente des BUND Bretten hingegen „voll und ganz“. Negative, gesundheitliche Folgen in „Hitzesommern“ würden bereits durch mehrere Krankenkassen festgestellt. Die vom BUND genannte Aufheizung könne diese für die Brettener Bevölkerung „deutlich verstärken“. Die Auswirkungen des Klimawandels verursachten auch in Bretten Starkregen, Hochwasser, Hitzewellen, Dürren, Waldsterben und abnehmende Verfügbarkeit von Wasserressourcen, so Schwarz. Deshalb bedürfe es neben anderen auch einer Transformation im Bereich der Verkehrspolitik. „Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist hier eindeutig, ein weiter wie bisher kann und darf es nicht mehr geben.“

„Autofokussierte Verkehrspolitik ändern“

Die autofokussierte Verkehrspolitik der vergangenen Jahrzehnte müsse verändert und zur Verfügung stehende Gelder in zukunftsfähige Mobilitätsangebote, wie ÖPNV, Radwege, Carsharingangebote und Schienengütertransporte, investiert werden. Die Südwestumfahrung werde die Erwartungen der Brettener Bürger nicht erfüllen, mahnt Schwarz. Abzuwarten bleibe, wie der Verwaltungsgerichtshof München über die eingereichte Klage gegen den Bau der Ortsumfahrung B23 Dinkelsbühl des BUND Bayern urteilen wird. Der durch den Straßenbau erhöhte Kohlendioxid-Ausstoß und dessen Verträglichkeit mit dem Klimaschutzgesetz soll dort geprüft werden. „Der BUND Bayern will hier einen bayernweiten Musterfall für den Klimaschutz im Verkehr machen“, so Schwarz.

Stopp des Straßenneubaus

Und der BUND verweist auf ein Dokument, in dem mehrere Umweltverbände bereits vor der Bundestagswahl einen Stopp des Straßenneubaus und eine Neuausrichtung der Infrastruktur- und Mobilitätsplanung sowie einen Neustart der Verkehrsplanung des Bundes gefordert haben. Darin wird ein sofortiges Moratorium, ein unverzüglich beginnender Aufschub, für den Neu- und Ausbau von Autobahnen und überörtlichen Bundesstraßen gefordert sowie eine Anpassung des Bedarfsplans für Bundesfernstraßen anhand umweltverträglichen Kriterien und ein Bundesmobilitätsgesetz, das politische Akteure auf allen Ebenen dazu verpflichtet, langfristige Ziele und Strategien für einen Umbau des Verkehrssektors zu entwickeln, zu beschließen und vorrangig auszugestalten.

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