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Pressebericht: Infoveranstaltung Südwestumgehung

Volles Haus und kritische Fragen

Mehr als 300 Bürgerinnen und Bürger, die meisten aus dem Ort, sind in die Rinklinger Sporthalle zur Bürgerinfo zur geplanten Südwestumgehung gekommen. Fachleute des Regierungspräsidiums erläutern die Planungen, die Bürger stellen Fragen dazu.

(Badische Neueste Nachrichten, 13.07.2022, Hansjörg Ebert)

Bretten. „In 20 Jahren werden uns die Leute fragen, warum wir diese Straße gebaut haben“, gibt ein sichtlich aufgebrachter Bürger zu bedenken. „In 20 Jahren werden uns die Leute vielleicht aber auch fragen, warum wir die Straße nicht gebaut haben“, erwiderte Brettens Bürgermeister Michael Nöltner (CDU).
Die beiden Positionen geben den grundlegenden Konflikt treffend wieder, der bei der Bürgerinformation des Regierungspräsidiums (RP) in der Rinklinger Sporthalle deutlich zutage tritt. Mehr als 300 interessierte Bürgerinnen und Bürger sind gekommen, um den aktuellen Stand der Planung zur Südwesttangente Ortsumgehung Bretten zu erfahren, die große Mehrheit aus Rinklingen.
Die Stimmung ist angespannt. Die Skeptiker, die ihren Unmut über die Trasse am Rinklinger Ortsrand immer wieder zum Ausdruck bringen, sind in der Mehrheit. Die Befürchtungen des Rinklinger Ortsvorstehers Timo Hagino, „dass es drunter und drüber geht“, erfüllen sich allerdings nicht. Doch es gibt energische Wortmeldungen, die Sinn und Notwendigkeit dieser Ortsumfahrung ganz grundsätzlich in Frage stellten, die im Bundesverkehrswegeplan als Projekt Nummer 111 im
vordringlichen Bedarf festgeschrieben ist.
Und es gibt heftige Vorwürfe an die Vertreter der Politik, die das Vorhaben auf dem Podium verteidigen. „Der Verkehr wird zunehmen, darum brauchen wir eine Entlastung“, begründet OB Martin Wolff (Freie Wähler) die Notwendigkeit der Maßnahme. Er weist die Vorwürfe an die Volks- und Behördenvertreter zurück: Die Entscheidung für dieses Maßnahme sei auf demokratischem Wege mit großer Mehrheit getroffen worden.
Im ersten Teil des Infoabends lässt das Regierungspräsidium die Fachleute zu Wort kommen. „Wir bekommen ein Drittel weniger Verkehr in Bretten, wenn wir alle Maßnahmen konsequent umsetzen“, sagt Stefan Wammetsberger vom Büro Koehler & Leutwein, der die Verkehrsprognosen erläutert. Also die Südwesttangente plus sämtliche Vorgaben, die im Mobilitätskonzept der Stadt und für die Gartenschau festgelegt wurden. Beim Vergleich der Varianten fiel die Teilumfahrung sowohl städtebaulich als auch in finanzieller Hinsicht durch: zu kompliziert, zu teuer und zu wenig leistungsfähig ist sie laut Gutachter.
Die Südumfahrung ist zudem die schalltechnisch günstigere, und bei Bau und Unterhaltung die wirtschaftlichere Variante, heißt es weiter. Die Umweltverträglichkeitsstudie kommt zu dem Schluss, dass beide Varianten der Ortsumfahrung im Hinblick auf den europäischen Artenschutz zulassungsfähig sind. Einen konfliktarmen Korridor gebe es allerdings nicht.

„Die Südumfahrung setzt die Zielsetzung der Verkehrsentlastung von Bretten ganzheitlich um und ist deshalb die Vorzugsvariante“, fasst Helmut Wößner, der Projektleiter für den Bau der Südwesttangente, die Ergebnisse der Voruntersuchungen zusammen. Doch die Zuhörer hatten ganz andere Fragen: Sie wollten wissen, warum sie so einen wertvollen Naherholungsraum für eine Straße opfern sollen, die doch nur weiteren Verkehr anziehe. Ebenso, wie das Straßenbauprojekt das Klima in der Stadt beeinflusst, und warum der geplante Tunnel just beim Waldkindergarten in der Nähe des Grillplatzes endet. Sie erfuhren, dass nicht Straßen den Verkehr machten, sondern Menschen, dass die Trasse die Kaltluftströme nicht merklich beeinflusse und dass für einen Tunnel, der länger als 1. 000 Meter ist, strengere Vorgaben gelten würden,als für einen kürzeren, und dass man einen Tunnelbau in geschlossener Bauweise anstrebe.
Einen gänzlich anderen Akzent setzt eine Anwohnerin der Georg-Wörner-Straße, die ein vehementes Plädoyer für die Umgehungstrasse abgibt. „Wir sind am meisten betroffen vom Lärm und von den Abgasen der Fahrzeuge, die Tag und Nacht keine zwei Meter von meiner Hauswand entfernt, vorbeifahren“, erklärt sie und fragt: „Sind meine Kinder weniger wert?“ Einige Fragen bleiben unbeantwortet. Etwa die, wann denn nun gebaut wird und wie lange. Ein Blick auf den zeitlichen Ablauf des Vorhabens macht jedoch deutlich, dass man
noch ganz am Anfang eines sehr langen Prozesses steht.

Foto: Thomas Rebel

Hintergrund:

Im Bundesverkehrswegeplan werden drei Umgehungen aufgeführt, die für eine – ortsdurchfahrtsfreie – Entlastung des Autobahndreiecks Karlsruhe sorgen sollen. Für Bretten sind zwei Varianten untersucht worden, von denen die „Südumfahrung“ weiter verfolgt wird. Es wird mit mehr als 10.000 Fahrzeugen gerechnet, die zusätzlich von der Autobahn über die Bundesstraßen in den Süden von Bretten fließen werden.

Nachdem der Brettener Gemeinderat mehrheitlich diesem Vorhaben zugestimmt hat, formiert eine immer größer werdende Gruppe von Gegnern. Entgegen der Behauptung von Stadtverwaltung und Regierungspräsidium, dass eine Umgehungsstraße die Brettener Innenstadt entlasten würde, fürchten die Gegner eine zu hohe Belastung für Mensch und Natur, eine Zerstörung von Schutzgütern und den Verlust von Naherholung.

Am 11. Juli haben Regierungspräsidium und Fachleute zu einem Informationsabend in Rinklingen eingeladen. Anwesend waren auch der Oberbürgermeister Martin Wolff, Bürgermeister Michael Nöltner und Mitarbeiter des Planungsbüros Köhler & Leutwein.

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